Die Diskussion zum Thema „Wildnis“ hat in Hamburg gerade erst begonnen. Der Botanische Verein setzt sich vor allem für innerstädtische Wildnisgebiete im Wohnumfeld ein.

Wildnis in Hamburg

Wildnisgebiete im Sinne der Nationalen Biodiversitätsstrategie sind ausreichend große, (weitgehend) unzerschnittene, nutzungsfreie Gebiete, die dazu dienen, einen vom Menschen unbeeinflusst Ablauf natürlicher Prozesse dauerhaft zu gewährleisten (Bundesamt für Naturschutz).

Die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt sieht vor, dass sich die Natur bis 2020 auf mindestens 2 % der Landfläche Deutschlands nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickeln soll, überwiegend in großflächigen Wildnisgebieten, die zudem in den länderübergreifenden Biotopverbund integriert werden.

Ob und wie weit sich ein städtischer Ballungsraum wie Hamburg in ein derartiges bundesweites Wildniskonzept einbeziehen lässt, ist allerdings noch offen. Für Hamburg wichtig ist jedoch, dass es gerade im großstädtischen Wohnumfeld wenigstens einige Gebiete geben sollte, in denen die Bewohner der Stadt die spontan und ungelenkt ablaufenden natürlichen Prozesse der Vegetation auch tatsächlich beobachten können. Darüber hinaus ist Wildnis zum Anfassen, zum freien Spielen und zum Naturerleben außerordentlich wichtig für die seelische Entwicklung von Kindern. Die dafür nötige Freizügigkeit ist jedoch in Parks, Forsten oder auch Naturschutzgebieten im Ballungsraum nur schwer zu verwirklichen.

Der Hamburger Erziehungswissenschaftler Ulrich Gebhard hat dazu geschrieben: „Dass sich Naturerfahrungen günstig auf die seelische Entwicklung auswirken, ist ein durchaus starkes Argument, naturnahe Flächen, Brachflächen, Naturerfahrungsräume in städtischen Umgebungen bereitzuhalten oder (wieder) zu schaffen. Ein zentrales Motiv für das Spielen in der Natur ist dabei wohl die Unkontrolliertheit und das subjektive Gefühl von Freiheit. Kinder können in der Natur freizügig spielen, sind zugleich relativ aufgehoben und können zudem Bedürfnissen nach „Wildnis“ und Abenteuer nachgehen.“

Der Botanische Verein empfiehlt daher

1. sich in Hamburg auf siedlungsnahe „städtische Wildnisse“ oder „wild urban woodlands“ zu konzentrieren und sie als Naturerlebnisgebiete ebenfalls der ungelenkten Dynamik zu überlassen, um so zumindest in Teilen der Stadtlandschaft Gebiete mit Wildnischarakter zu erhalten. Ein solches Vorgehen wird seitens des Bundesamtes für Naturschutz empfohlen (vgl. http://www.bfn.de/0311_wildnis.html).

2. zu prüfen, ob und wie weit das Prinzip einer spontanen und ungelenkten Entwicklung zumindest teilweise auch in Pflegekonzepte im öffentlichen Grün Eingang finden kann. Wir weisen nachdrücklich darauf hin, dass es in Hamburg bereits jetzt viele Gebiete gibt, die in diesem Sinne eindeutig als „städtische Wildnis“ bzw. „wild urban woodlands“ anzusehen sind. Biodiversität, Vielfalt, Eigenart, Schönheit und Erholungswert dieser Gebiete sind jedoch in Hamburg bislang von Naturschutz und Landschaftspflege nicht ausreichend wahrgenommen worden.

Die städtischen Wildnisse in Hamburg müssen angemessen gesichert und entwickelt werden. Das ist eine anspruchsvolle planerische Aufgabe, die auch in Hamburg angegangen werden muss.

Dr. Hans-Helmut Poppendieck (1. Vorsitzender des Botanischen Vereins zu Hamburg e. V.)

Zurück