100 Jahre „Stadtgrün“ in Hamburg

Artenvielfalt der Stadt

Städte sind Zentren der Artenvielfalt. Vor allem im Vergleich zum landwirtschaftlich geprägten Umland sind die Artenzahlen in Städten deutlich höher. Substrat- und Lebensraumvielfalt sind viel ausgeprägter als im Umland. Verglichen mit vielen anderen Großstädten hat Hamburg einen relativ hohen Grünanteil, den es – besonders im Zeichen des Klimawandels – zu pflegen und zu entwickeln gilt. Diese Pflege muss auch berücksichtigen, dass die Grünanlagen und Freiflächen Teil des Biotopverbundes sind und zur Artenvielfalt der Stadt beitragen. Also: nicht nur wir Menschen wollen und sollen von den Parks profitieren, sondern die Parks sollen auch Lebensraum für wildlebende Tiere und Pflanzen sein.

Was können Grünflächen zur Artenvielfalt beitragen?

Natur ist in der ganzen Staxdt vorhanden: Wir finden sie in Parks, Friedhöfen und auch in Industrie- und Hafenanlagen. Ebenso sind Bahndämme sowie das Straßenbegleitgrün für Pflanzen und Tiere wichtig. Seltenere Arten der „Roten Liste“ wie der Scheiden-Goldstern (Gagea spathacea) oder die Schuppenwurz (Lathraea squamaria), Milzkräuter (Chrysosplenium oppositifolium und C. alternifolium) wachsen am Alsterwanderweg, im Wandsbeker Gehölz oder in Rahlstedts Erholungswäldern, alte Mauern werden von Farnen (Asplenium ruta muraria) besiedelt, die Ochsenzunge (Anchusa officinalis) findet man im Hafen, die Grasnelke (Armeria maritima) an alten Deichen. Naturschutzgebiete sind ein wichtiger Teil der Stadtnatur, aber eben nur ein Teil!
Ausführlich hierzu: H.-H. Poppendieck: „Gefährdete Pflanzenarten im öffentlichen Grün“ (auf dieser Homepage in Vorbereitung).

Auf Brachflächen entwickeln sich in kurzer Abfolge unterschiedliche Pflanzengemeinschaften, die vielen Insekten und anderen Kleintieren Lebensraum bieten. Sie haben mit ihrer sommerlichen Blütenvielfalt auch ästhetische Reize. Selbst zwischen Gleisen, Schuppen und Gebäuden gibt es Platz dafür. Königskerzen, Wilde Möhre und der Reigen gelber Korbblütler (Leontodon sp., Hypochaeris radicata, Crepis sp., Picris sp.) siedeln sich spontan an, wenn man sie lässt. Heuschrecken und Falter stellen sich ein. Brachflächen können auch Spiel- und Erlebnisräume für Stadtkinder sein, wenn die Flächen von Müll und Unrat frei gehalten werden. Natur und Mensch schließen sich hier nicht aus.

Wie geht man mit Grünflächen um?

Der Schutz der lebendigen Umwelt spielt in der Stadtplanung eine viel zu geringe Rolle. Großflächige Bodenversiegelung zwängt die Rest-Natur in kümmerliche Rasenstücke, Pflanzkübel oder Pflasterritzen. Parks lassen wenig Natur zu. Ohne wirtschaftliche Notwendigkeit werden leider auch Wuchsorte heimischer Pflanzen beseitigt. Die Gestaltung der Grünflächen erfolgt in der Regel mit nicht heimischem Pflanzgut. Wildwuchsflächen werden als „unordentlich“erlebt und genießen einen schlechten Ruf.

Das herbstliche Falllaub wird in übertriebenem Umfang, oft mit Laubgeläsen, aus den Grünflächen entfernt. Dabei gehen Überwinterungsplätze für Insekten verloren, und das Bodenleben verarmt.

Was sollten wir tun?

Natur in der Stadt braucht Raum. Der hohe Flächenverbrauch durch Bebauung und Versiegelung muss eingeschränkt werden. Nicht benötigte versiegelte Flächen sind wieder zu renaturieren. Nährstoffarmer Boden, also eher Sand und weniger Mutterboden, fördert Lebensräume besonderer heimischer Pflanzen und Kleintiere. Nicht fehlende sondern im Überfluss vorhandene Nährstoffe stellen für viele Wildpflanzen ein Problem dar. Dafür müsste man sich von der Norm verabschieden, bei Begrünungen „Andeckung mit Mutterboden“ anzuordnen. Notwendige Ansaaten sollten mit Regio-Saatgut erfolgen.

Seltenes Mähen lässt Pflanzen und Tiere zur vollen Entwicklung kommen. In Parks, Gärten und an Straßen kann man blütenreiche Wiesen und Säume fördern. Statt häufig geschorener Rasen ist eine extensive Wiesenpflege wichtig. Häufig geschorene Rasen stellen für die meisten Pflanzen und Tiere eine lebensfeindliche Umwelt dar. Auch das Gegenteil, nämlich ein völliges Brachfallen von Wiesen, ist für die Artenvielfalt kontraproduktiv, weil sich schließlich artenarme Brennnesselfluren ausbreiten. Wichtig ist die Abfuhr des Mähgutes von der Fläche, damit es nicht zur Verfilzung und zur Anreicherung von Nährstoffen kommt. Trampelpfade kann man dulden: Solche Nutzung schadet weniger als die wöchentliche „Rasur“ mit dem Rasenmäher. Nicht jede Ecke in einem Park muss „ordentlich“ sein. Auch in unserer Stadt können wir der Natur Raum geben.

Natur soll auch da sein, wo Menschen wohnen, arbeiten und lernen – vor unserer Haustür.

Horst Bertram / H.-H. Poppendieck

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