Dies jedoch nur solange, wie die zuständigen Kirchengemeinden und Friedhofsgärtner sensibel mit ihm umgehen. Aber ich muss dazu wohl etwas ausholen. Der Wiesen-Goldstern ist eine kleine bescheidene Zwiebelpflanze, die früher auf Äckern, Weinbergen und im mageren Grünland vorkam. Die moderne Landwirtschaft hat sie von diesen Standorten weitgehend verdrängt, weswegen sie heute in Hamburg und Schleswig-Holstein auf der Roten Liste steht. Überlebt hat der Wiesen Goldstern in historischen Parkanlagen und in der Nähe denkmalgeschützter Gebäude, vor allem aber auf alten Friedhöfen. Warum dies so ist, hat der westfälische Botaniker Uwe Raabe bereits im Jahre 1981 herausgefunden, als er die Friedhöfe des östlichen Münsterlandes kartierte.

Friedhöfe wurden früher meist auf Sandäckern angelegt, die wenig Ertrag lieferten und wo man die Erde leicht bewegen konnte. Auf schweren Lehmböden macht das Ausheben von Gräbern mehr Mühe, und in Moorböden ist die Zersetzung nicht gewährlistet. Der Wiesen-Goldstern hat sich als ehemaliges Ackerunkraut auf den Friedhöfen halten können und ist damit ein Naturdenkmal der früheren bäuerlichen Nutzung. Überlebt hat er, weil aufgrund seiner Lebensgeschichte von einer zeitlichen Nische im Bewirtschaftungsrhythmus des Friedhofes profitieren konnte. Er blüht und fruchtet im April, bevor die intensive gärtnerische Bearbeitung einsetzt. Also bevor gehackt und gejätet wird oder Herbizide zu Einsatz kommen, um Beete und Wege unkrautfrei zu halten.

Bei einer späteren Kartierung hat Uwe Raabe 1988 solche Friedhofsvorkommen des Wiesen-Goldsterns auch in Hamburg-Bergedorf und im Lauenburgischen nachgewiesen. Der Botanische Verein hat dann im Rahmen seines Projektes Seltene Pflanzen diese Kartierung in den Jahren 2018-2020 wiederholt. Das Ergebnis: Der Wiesen-Goldstern kommt auf 7 von 10 untersuchten Friedhöfen im Bezirk Bergedorf vor:

  • Alter Friedhof Bergedorf
  • Alter Friedhof Lohbrügge
  • Friedhof Ochsenwerder
  • Friedhof Kirchwerder
  • Friedhof Altengamme
  • Friedhof Neuengamme
  • Friedhof Curslack

Nicht gefunden wurde er bislang:

  • Friedhof Allermöhe
  • Friedhof Billwerder
  • Neuer Friedhof Bergedorf (erneute Nachsuche wäre hier sinnvoll)

Von den weiteren Vorkommen im Bezirk lagen 5 in der Nähe historischer Bauernhäuser und dann oft unter alten Kastenlinden oder in Hecken, wie beispielsweise bei der Reitbrooker Mühle, dem Geburtshaus des Kunsthallendirektors Alfred Lichtwark (1852-1914).

Über die Goldstern-Vorkommen in den anderen Bezirken soll demnächst ein Aufsatz in den Berichten des Botanischen Vereins erscheinen.

Wir hoffen, dass wir mit diesem Text die Verantwortlichen für die Friedhöfe im Bezirk Bergedorf erreichen, und wir hoffen, dass sie sich der besonderen kulturgeschichtlichen und ökologischen Bedeutung Ihrer Anlagen als Refugien für den Wiesen-Goldsterns bewusst werden. Die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche hat dankenswerterweise im Jahre 2008 ein Merkblatt für den Umwelt- und Naturschutz auf den kirchlichen Friedhöfen herausgegeben, konnte dabei aber verständlicherweise auf die spezielle Problemlage des Wiesen-Goldsterns nicht eingehen. Daher zum Abschluss ein paar Tipps für die Pastoren, Kirchenvorstände, Friedhofsgärtner und Grabstätteninhaber im Bezirk Bergedorf und anderswo:

  1. Lernen Sie den Wiesen-Goldstern kennen, damit Sie ihn auf Ihrem Friedhof erkennen können. Die Bilder zu diesem Text können Ihnen dabei helfen.
  2. Vergewissern Sie sich, wo die gefährdeten Goldstern-Vorkommen auf Ihrem Friedhof zu finden sind, und nehmen Sie auf sie Rücksicht. Sie können gern den Botanischen Verein um Auskunft bitten.
  3. Versuchen Sie, erst Ende April oder besser noch erst Anfang Mai mit der mechanischen Unkrautbekämpfung zu beginnen.
  4. Auch andere frühblühende Wildpflanzen auf den Wegen, Grabstätten, Rasenflächen und unter Bäumen verdienen unsere Schonung, da sie erste Nahrung für spezialisierte Wildbienen und Schwebfliegen sind. Die großblumigen Stiefmütterchen und Kissenprimeln sind dazu nicht geeignet.

Hans-Helmut Poppendieck, 28. März 2021

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