wird in Hamburg und Umgebung von den zuständigen Stellen meist ignoriert. Liebe Kolleginnen und Kollegen in den Bezirken, bei der Stadtreinigung und beim Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer: Bitte schaut Euch an, was auf Euren Flächen alles an spontan wachsenden Arten vorkommt. Straßenränder sind nämlich auch Überlebensräume für seltene und gefährdete Arten. Bei der Identifizierung hilft der Botanische Verein gern weiter. Hier ein paar Beispiele:

Feld-Mannstreu (Eryngium campestre), eine Pflanze die im Elbtal auf sandigen Altdeichen vorkommt, wächst in Geesthacht am Hafen auch auf wassergebundener Decke am Rand der Warderstraße. In Hamburg Rote Liste 1, in Schleswig-Holstein Rote Liste 2. Unser Foto zeigt ein Musterbeispiel für einen artenreichen Straßenrand. So kann das aussehen! Leider gibt es in Hamburg die Tendenz, solche Bereiche vollständig zu versiegeln, obwohl der Pflegeaufwand minimal ist.

Knorpellattich (Chondrilla juncea) kommt in Geesthacht im Industriegebiet an der Charlottenburger Straße mit rund 50 Exemplaren vor, am Straßenrand mit wassergebundener Decke und im Vorgarten eines Betriebes. In Hamburg ausgestorben, in Schleswig-Holstein Rote Liste 1. Friedhelm Ringe vom NABU Geesthacht hat uns auf dieses und das folgende Vorkommen aufmerksam gemacht und ist aktiver „Kümmerer“ für den Erhalt dieser Standorte.

Wundklee (Anthyllis vulneraria) in Hamburg-Langenhorn am Krohnstieg. Rote Liste Hamburg 2. Wurde im Rasenstreifen direkt an der Straße um 2000 angesät, ist dort aber ausgewandert und kommt heute auf der wassergebundenen Decke des Fußweges im mäßig betretenen Übergangsbereich vor. Solche Übergangsbereiche sind als Lebensräume für konkurrenzschwache Pflanzen enorm wichtig und müssen bei der Planung und Unterhaltung von Wegen unbedingt erhalten und wenn möglich neu geschaffen werden. Biodiversität in der Stadt erhalten heißt: Weg mit der klaren Kante, und her mit der Wischi-Waschi-Grenze. Hier muss es zu einem Umdenken kommen, auch wenn es schwer fällt.  

Mittleres Fingerkraut (Potentilla intermedia). Die Art war früher auf Brachflächen im Hamburger Hafen nicht selten und ist deswegen in der Roten Liste Hamburg nicht als gefährdet angegeben. Aber inzwischen sind fast alle früheren Standorte im Hafen voll versiegelte Containerlager. Ich habe das Mittlere Fingerkraut in den letzten Jahren, wenn überhaupt, nur noch auf gepflasterten Mittelstreifen gesehen, zuletzt am Rugenbarg in Hamburg-Osdorf.

Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia) Rote Liste Hamburg 3. Die inzwischen selten gewordene Art hatte ein Refugium auf einer Verkehrsinsel an der Sieker Landstraße gefunden, wird dort aber dem Ausbau der Straße zum vierspurigen Autobahnzubringer weichen müssen. So und nicht anders funktioniert das Artensterben: Es sind viele kleine Einzelmaßnahmen, die sich zu einem Alptraum summieren.

Breitblättrige Kresse (Lepidium latifolium) ist an der Ostseeküste um Heiligenhafen heimisch und bürgert sich seit etwa 1990 in Hamburg ein. Die salztolerante Küstenpflanze besiedelt dabei mit Vorliebe Straßenränder und Verkehrsinseln. Sie ist bei uns nicht gefährdet, aber man sollte diese schöne und attraktive Staude mit ihren duftigen, an das Schleierkraut erinnernden Blütenständen am Straßenrand tolerieren, zur Freude der vorbeifahrenden Autofahrer.

Ausgebreitetes Glaskraut (Parietaria judaica) stammt aus dem Mittelmeerraum und kommt im Grindelviertel an der Rappstraße und Dillstraße vor, wo es von den Anwohnern großzügig geduldet wird. Hier und in Quartieren wie dem Schanzenviertel oder Ottensen ist man offenbar toleranter gegenüber dem wilden Grün der Stadt als in gutbürgerlichen Wohngebieten.

Der Botanische Verein ist dabei, ein Standortskataster für seltene Pflanzen an Straßenrändern zu erstellen. Er stellt die Daten den zuständigen Behörden gern zur Verfügung. Aber eigentlich brauchen sie diese Daten doch gar nicht. Die Bezirke, die Stadtreinigung und der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer können auch ohne diese Daten ohne weiteres zur Erhaltung der Artenvielfalt in der Stadt beitragen, wenn sie folgende Dinge berücksichtigen:

  • Das Unkraut überall dort beherzt entfernen, wo es stört. Also beispielsweise dort, wo es die Sicht behindert oder wo man darauf ausrutschen kann.
  • Das Unkraut überall dort stehen lassen, wo es nicht stört oder weniger stört als man denkt. Toleranz gegenüber Unkräutern ist der beste Naturschutz in der Stadt.
  • Wassergebundene Decken statt Vollversiegelung.
  • Klare Kanten und Grenzen vermeiden und stattdessen gleitende Übergänge schaffen und erhalten.

Machen Sie mit beim Schutz der Artenvielfalt in der Stadt!

Hans-Helmut Poppendieck 4. Februar 2019

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